Viele Leute können sich nicht vorstellen, wie es ist, als Profisportler vor vielen Menschen zu performen. Es ist eine andere emotionale Welt. Eine, in der du auf die Sekunde genau wissen musst, was zu tun ist. Eine, in der dein Körper vor Anspannung bebt und dein Herz so schnell schlägt, dass es dir in den Ohren rauscht. Es fühlt sich an, als schaut die ganze Welt auf dich und erwartet deine volle Leistung und zwar jetzt, auf den Punkt. Genau in diesen Momenten haben viele Athleten das Ziel von dem Druck, der Nervosität, der Versagensangst und weiteren negativen Gedanken so wenig wie möglich zu spüren. Auch im Hobbysport oder abseits des Sports, im Alltag oder Beruf gibt es ähnliche emotionale Situationen. Ein häufig verwendetes Mittel: üben, die Gefühle und Emotionen abzuschalten, zu verdrängen, einfach nichts mehr zu spüren und voll im Fokus zu sein. Eine mögliche Alternative: Mental trainieren statt Gefühle und Emotionen abzuschalten.
Als ich die Netflix Doku “Untold: Breaking Point” über Mardy Fish anschaute, war ich schockiert über das systematische Vorgehen, mit dem die talentierten Tennis Kids emotional abgeschaltet, ja geradezu betäubt wurden. Nicht nur in Mardy Fishs Fall mit dem fatalen Ergebnis einer schweren Depression.
Auch ich selbst habe mir in meiner Zeit als Basketballprofi unbewusst ähnliche Strategien gesucht und mich stark dissoziiert. Mit anderen Worten: die Emotionen unterdrückt, mich von außen beobachtet. Und auch ich habe lange Zeit gebraucht, um das Leben wieder so richtig zu fühlen und genießen zu können.
Gefahren beim unterdrücken von Emotionen
Dass es möglich ist, mit abgeschalteten Emotionen Erfolge in Sport und Wirtschaft zu erzielen, steht außer Frage. Gleichzeitig trauen sich die Top-Performer mehr und mehr über die Schattenseite ihrer Erfolge zu sprechen. Die Bandbreite reicht von kleinen Motivationstiefs hin zu ausgeprägten Depressionen. Wie kommt es dazu?
Wenn lang genug unsystematisch die Emotionen unterdrückt werden, wirkt sich dies in der Regel nicht nur auf die negativen, sondern auch auf die positiven Emotionen aus. Im ersten Schritt berichten viele Sportler, dass Erfolge ihnen nicht mehr so viel Freude bereiten wie noch zuvor. Sie funktionieren, performen und fühlen eben weniger oder nichts dabei. Auf der einen Seite nimmt das den Druck, die Ängste, die Zweifel und befähigt sie dazu, „abgezockt“ ihr Ding zu machen. Auf der anderen Seite kann es eben auch dazu führen, dass wenige, bis gar keine positiven Emotionen mehr zugelassen werden und sich so ein Loch auftut. In der Folge kann das zux Zusammenbruch, Tiefpunkt, Krise oder Burnout führen – you name it.
Emotionale Intelligenz im Sport
Die emotionale Intelligenz ist in vielen Bereichen des Lebens wichtig, darunter selbstverständlich auch im Sport. Viele Athleten sind sich noch nicht bewusst, wie sehr ihre Emotionen ihre Leistung beeinflussen können. Wenn Athleten lernen, ihre Emotionen zu verstehen und zu steuern, können sie ihre Leistung immens verbessern und sich besser auf das Spiel konzentrieren. Die emotional intelligente Sportlerin oder der emotional intelligente Sportler weiß, wann er oder sie ruhig sein muss und wann er oder sie einen kleinen extra Schub Motivation braucht. Sie können die richtige Balance finden, um optimale Leistung zu bringen. Je bewusster Sportler im Umgang mit ihren eigenen Emotionen agieren, desto leichter kommt der Erfolg. Einige Punkte, die helfen können, die eigene emotionale Intelligenz im Sport und auch im Alltag zu verbessern:
1. Lerne, Deine Emotionen zu verstehen. Wenn Du weißt, was Du fühlst und warum Du es fühlst, ist es einfacher, die Emotionen zu steuern. Nimm Dir Zeit, um in Dich hineinzuhorchen und herauszufinden, was Du gerade fühlst und warum. Meditationen, Trancen und verschiedene einfache Übungen können Dir dabei helfen.
2. Lerne, Deine Emotionen zu regulieren. Wenn Du lernst, Deine Emotionen zu regulieren, kannst Du diejenigen Gefühle bearbeiten, die Dich ablenken und diejenigen Gefühle stärken, die Dich motivieren. Es ist wichtig, dass Du lernst, Deine Emotionen zu steuern und nicht umgekehrt.
3. Sei offen für Veränderung. Wenn Du bereit bist, Deine emotionale Intelligenz zu verbessern, darfst Du auch bereit sein, Veränderungen in Deinem Leben vorzunehmen. Viele deiner Verhaltensweisen sind über Jahre und Jahrzehnte unterbewusst antrainierte Muster. Du hast sie gelernt, weil sie von dir für eine bestimmte Situation als sinnvoll eingestuft wurden. Für andere Situationen können sie allerdings auch kontraproduktiv sein. Also öffne dich für neue Verhaltensweisen. Vielleicht wirst Du Deine Einstellung zu bestimmten Dingen hinterfragen und ändern oder neue Strategien lernen, um an deine Ziele zu kommen. Sei offen getreu dem Motto: “Wenn etwas so nicht funktioniert, probiere es auf eine andere Weise”.
4. Hol dir neues Know-How. Erweitere deinen Horizont. Es ist nicht immer einfach, lang eingefahrene Verhaltensweisen alleine zu verändern. Lies, höre Podcasts zum Thema oder suche dir einen Coach oder (Sport)Psychologen. Oft sind die Themen für einen Außenstehenden viel offensichtlicher als für einen selbst und können gezielt mit wenig Aufwand verändert werden.
Fazit
Es gibt viele Situationen, in denen es hilfreich ist, die eigenen Emotionen zu verändern bzw. zu steuern. Im Sport etwa kann es entscheidend sein, nicht dem Frust oder Druck nachzugeben und weiterhin konzentriert zu bleiben. Auch in stressigen beruflichen Situationen ist es wichtig, einen kühlen Kopf zu bewahren. Und was ist, wenn man seine Emotionen gar nicht erst zulässt? Wenn man sie unterdrückt und versucht, sie gar nicht erst zu spüren? Dies kann auf kurze Sicht durchaus hilfreich sein, doch auf Dauer ist es keine empfehlenswerte Strategie. Denn wer seine Gefühle unterdrückt, läuft Gefahr, auch die positiven Emotionen und Gefühle im Leben zu verlieren. Wie bei einem Schnellkochtopf darf früher oder später die Luft abgelassen werden, wenn man nicht warten möchte, bis er explodiert. Mental trainieren statt Gefühle und Emotionen abzuschalten ist der erste Schritt in die richtige Richtung.
Wer emotional intelligent ist, der weiß, dass es okay ist, Gefühle zu haben und dass man sie nicht unterdrücken muss, sondern sie bewusst wahrnehmen, verändern und steuern kann.